Bürger*innenasyl

Mehr als  60 Erstunterzeichnende erklären öffentlich:

„Wir werden von Abschiebungen bedrohten Flüchtlingen aus Afghanistan Bürgerasyl gewähren, das heißt, wir werden Platz machen in unseren Wohnungen und notfalls die Menschen verstecken, die in Krieg und Verfolgung zurückgeschickt werden sollen.“

Darmstädter Erklärung, im November 2017

Afghanistan ist nicht sicher!

Wir werden mit Bürgerasyl afghanische Flüchtlinge schützen, die von Abschiebung bedroht sind!

Internationale Organisationen und ExpertInnen sind sich einig, das Auswärtige Amt in Berlin veröffentlicht sogar Reisewarnungen: Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich massiv verschärft, die wechselnden Fronten des Bürgerkriegs ziehen sich durch alle Regionen.

Dennoch drängt das Bundesinnenministerium unter Thomas de Maizière weiter auf Abschiebungen von afghanischen Asylsuchenden. Im Unterschied zu einigen anderen Bundesländern ist die hessische Landesregierung bislang nicht bereit, diese Abschiebungen auszusetzen.

Deshalb wollen wir jetzt handeln und erklären öffentlich:

Wir werden von Abschiebungen bedrohten Flüchtlingen aus Afghanistan Bürgerasyl gewähren. Wir werden Platz machen in unseren Wohnungen und notfalls die Menschen verstecken, die in Krieg und Verfolgung zurückgeschickt werden sollen.

Ist ein Bürgerasyl gegen Abschiebungen „legal“? Nein, aber legitim und notwendig. Wenn Appelle und Demonstrationen nicht ausreichen, ist ziviler Ungehorsam im Namen der Menschlichkeit geboten.

Mutige Kirchengemeinden helfen seit Jahren in Einzelfällen mit Kirchenasyl, viele FreundInnen und Verwandte unterstützen abschiebebedrohte Angehörige und riskieren damit Kriminalisierung und Bestrafung.

Daran anknüpfend machen wir diesen öffentlichen, gemeinsamen Schritt. Die Abschiebungen nach Afghanistan müssen gestoppt werden.

Wir wollen ein offenes und solidarisches Darmstadt!

Kontakt: agis@nadir.org

Erstunterzeichnende:

Markus Sandrock, Softwareentwickler, Darmstadt – Andreas Schwöbel, Pfarrer, Darmstadt – Paula Theiß, Stundentin, Darmstadt – Dorothea Köhler, Sozialpädagogin, Darmstadt – Angelika Schröder, Juristin, Darmstadt – Monika Liegl, Heilpraktikerin, Groß-Zimmern – Roland Liegl, Pensionär, Groß-Zimmern – Marissa Rosenkranz, Studentin, Darmstadt – Dagmar Rückert, Rentnerin, Darmstadt – Kirsten Schülke, Medizinische Dokumentarin, Weiterstadt – Reinhard Treue, Handwerker, Darmstadt – Renate Leihner, Oberstudienrätin, Darmstadt – Rüdiger Becker, Rechtsanwalt, Darmstadt – Franz Vater, Ingenieur, Darmstadt – Barbara Kienitz-Vollmer, kaufm. Angestellte, Darmstadt – Deborah Jungbluth, Psychologin, Darmstadt – Brigitte Sorowka, Sozialarbeiterin, Darmstadt – Regina Franzmann, Erzieherin, Darmstadt – Rose Klaus, Legasthenie-Therapeutin, Darmstadt – Gaby Scheifl, Rentnerin, Darmstadt – Benita Suwelack, Hessischer Flüchtlingsrat, Frankfurt – Heinrich Ruhemann, Chemiker, Darmstadt – Hanni Skroblis, Historikerin, Darmstadt – Christoph Jetter, Jurist, Darmstadt – Cornelia Kaim, Sozialpädagogin, Mühltal – Katja Wolf, Sozialpädagogin, Erlenbach – Ilona Herth, Sozialpädagogin, Darmstadt – Jürgen Mühlfeld, Sozialpädagoge, Darmstadt – Birgit Diesing, Stadtplanerin, Darmstadt – Barbara Demerath, Schreinerin, Reinheim – Paul Reinhard, Rentner, Groß-Umstadt – Mara Dörrer, Studentin, Ober-Ramstadt – Barbara Gunkel, Studentin, Darmstadt – Philipp Roßmann, Student, Darmstadt – Ute Schott, Sozialpädagogin, Münster/Hessen – Bettina Hopf, Architektin, Darmstadt – Wolfgang Theiß, Architekt, Darmstadt – Angelika Renk, Physiotherapeutin, Darmstadt – Sibylle Riffel, Ärztin, Darmstadt – Marisol Lucht, Studentin, Darmstadt – Jutta Katzenbächer, Sozialarbeiterin, Seeheim-Jugenheim – Laura Theiß, Politikwissenschaftlerin/Kinderbetreuerin, Darmstadt – Carina Katzenbächer, Studentin, Seeheim-Jugenheim – Regina Allgaier, Gruppenleiterin, Seeheim-Jugenheim – Jennifer Hofmann, Medizinethnologin, Heidelberg – Yannick Theiß, Student, Darmstadt – Iris I.-Meier, Psychologin – Adrian Riffel, Sozialarbeiter, Darmstadt – Ute Gahlings, Philosophin, Weiterstadt – Freya Jäschke, Ärztin, Ober-Mörlen – Ute Theiß, Übersetzerin/Schülerbetreuerin, Darmstadt – Amy Gross, Studentin, Darmstadt – Sarmina Stuman, Studentin, Darmstadt – Christiane Binas-Kalle, Kunsttherapeutin, Darmstadt – Sayed Fardin, KFZ-Mechaniker, Darmstadt – Johanna Rebel, Sozialarbeiterin, Darmstadt – Daniela Schäfer, Sozialarbeiterin, Griesheim – Beatriz Opazo, Psychologin, Darmstadt – Corinna Schackler, Sozialarbeiterin, Darmstadt – Jacques Kiewring, Sozialarbeiter, Darmstadt – Diana Krenskavjic, Diplom-Pädagogin, Wiesbaden – Ben Kloster, Erzieher, Ober-Ramstadt – Sandra Holewa, Psychologin, Darmstadt

Presseerklärung vom 24.11.17:

Die Initiative zum Bürger*innen-Asyl Darmstadt veröffentlicht heute die Absichtserklärung mit mehr als 60 Unterzeichner*innen. Die Initiative vereint Menschen, die bereit sind Geflüchtete vor Abschiebung zu schützen und die sie dafür gegebenenfalls auch in ihren eigenen Räumen aufnehmen würden. Die Kampagne soll die breite zivilgesellschaftliche Bewegung der Solidarität und des Engagements für Geflüchtete in Deutschland sichtbar machen.

Die heutige Plenarsitzung im hessischen Landtag in Wiesbaden zum hessischen Abschiebegefängnis ist Anlass für den Zeitpunkt der Veröffentlichung. Der Landtag hat heute die Gesetzesgrundlagen für die Einrichtung eines Abschiebegefängnisses in der JVA in Darmstadt-Eberstadt beschlossen. Ab Fertigstellung, voraussichtlich im Frühjahr 2018, könnten dort nun bis zu ihrer Abschiebung ca. 50 Personen inhaftiert werden.

Um gegen das Abschiebegefängnis und die damit verbundene Verschärfung in der Asylpolitik zu protestieren, hat sich in Darmstadt ein Aktionsbündnis gegründet.
Anstoß für die Initiative zum Bürger*innen-Asyl sind die seit Dezember 2016 monatlichen stattfindenden Abschiebe-Charter nach Afghanistan und der massive Druck auf die Einzelnen, sich in den Krieg zurück schicken zu lassen „Allein im vergangenen Jahr wurden knapp 11.500 Menschen getötet oder verletzt, im ersten Halbjahr 2017 waren es bereits mehr als 5.200. Unter den Opfern sind zunehmend Frauen und Kinder“, beschreibt die Expertin für Asylrecht und Asylpolitik bei Amnesty International in Deutschland, Franziska Vilmar, die Situation in Afghanistan.

Obwohl im Oktober die Sicherheitslage dermaßen prekär war, dass das Bundesverkehrsministerium davor warnte, den Flughafen in Kabul an zu fliegen, fand der Abschiebe-Charter wie geplant statt. Und Hessen beteiligt sich weiterhin an den Abschiebeflügen.

„Auch wenn wir uns mit dieser Initiative insbesondere gegen Abschiebungen nach Afghanistan wenden, wollen wir all die anderen, die in unzumutbare Bedingungen – Krieg, Hunger, Obdachlosigkeit, Verelendung – zurück geschickt werden, nicht vergessen. Abschiebungen beenden immer gewaltvoll den legitimen Versuch von Menschen, sich ein besseres Leben aufzubauen“, stellt Dorothea Köhler von der Initiative Bürger*innen-Asyl Darmstadt klar.

Ähnliche Initiativen gibt es bereits in verschiedenen Städten wie zum Beispiel Hanau, Stuttgart oder Freiburg. Dorothea Köhler erklärt: „Wir stellen uns damit an die Seite der Kirchen, die seit Jahren von Abschiebung bedrohte Menschen im Kirchenasyl aufnehmen und schützen. Wir wissen, dass Verwandte und Freund*innen oft die letzte Zuflucht für Menschen sind, die sich entscheiden, nicht zurück ins Elend zu gehen. Mit der Initiative des Bürger*innenasyls wollen wir dies unterstützen und Solidarität üben.“

Viele der Erstunterzeichnenden sind schon längere Zeit in Willkommens-Initiativen aktiv. „Wir können und werden nicht akzeptieren, dass Menschen, die häufig einen langen und schwierigen Weg auf sich genommen haben, um sich in Sicherheit zu bringen, und die in den letzten Jahren Freunde und Freundinnen geworden sind, zurück in Krieg und Elend geschickt werden“, schließt Köhler.

Der nächste Abschiebeflug soll am 06.12.2017 stattfinden. Mit der Veröffentlichung der Darmstädter Erklärung protestieren die Unterzeichnenden vehement gegen Abschiebungen nach Afghanistan und fordern die sofortige Beendigung dieser Praxis.

Gemeinsam mit dem Aktionsbündnis gegen das Abschiebegefängnis in Darmstadt rufen Teile der Initiative unter dem Motto „community for all – solidarische Gemeinschaften statt Abschiebegefängnis“ außerdem zu einer Aktionswoche und Demonstration Ende Januar 2018 in Darmstadt auf.